Italienische Musik des 16. und 17. Jahrhunderts für Sopran, 2 Trompeten, Laute und Orgel
Das Ensemble Berlin Baroque wurde 1993 von Gerhard Oppelt gegründet. Die Besetzung mit Originalinstrumenten und originalgetreuen Kopien gewährleistet eine stilgerechte Darstellung der Musik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts und läßt den charakteristischen Klang der Alten Musik zum Hörerlebnis werden. Projektbezogen haben international bekannte Spezialisten für Alte Musik wie Robert Hill, Friedemann Immer oder Ton Koop-man mit dem Ensemble gearbeitet. Erfolgreiche Oratorienproduktionen fanden mit dem Monteverdi-Chor Berlin, der Kantorei der Lindenkirche Berlin, dem Dresdner Kreuzchor und anderen Chören statt. Konzertreisenführten das Ensemble zusammen mit der Kantorei der Lindenkirche 1997 nach Tschechien (Matthäuspassion von J. S. Bach) und - auf Einladung der syrischen Kulturministerin - mit dem Monteverdi-Chor nach Damaskus (Johannespassion von J. S. Bach). 1999 konzertierte Berlin Baroque bei den Händel-Festspielen in Karlsruhe.
Henry Modereak studierte 1985 bis 1993 an der Hochschule Carl Maria von Weber in Dresden. Nach dem Studium wendete er sich ausschließlich der historischen Aufführungspraxis zu und gehört zu den Gründungsmitgliedern des Ensembles Berlin Baroque. Heniy Moderlak nahm an Kursen bei F. Immer und E. H. Tarr teil. Neben seiner umfängreichen Konzerttätigkeit im In- und Ausland hat er zahlreiche Rundfunkaufnahmen und CDs produziert. Seine Trompete wurde von Egger (Basel 1997) nach einem historischen Instrument von J. Ehe (Nürnberg 1693) angefertigt.
Christiane Gerhardt studierte Musikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin und Viola da Gamba bei Marianne Müller in Paris. Nach dem Examen ließ sie sich als freie Musikerin in Berlin nieder. Neben ihrer Unterrichts- und Konzerttätigkeit beschäftigt sie sich intensiv mit Theatermusik. Die Baß-Viola da Gamba wurde 1986 von Judith Kraft nach einem Originalinstrument von Colichon (Paris um 1600) angefertigt.
Andreas Arend besuchte 1988 bis 1991 die Berufsfachschule für Musik in Sulzbach-Rosenberg und studierte dann Gitarre an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Seit 1993 spielt er Laute, die zu seinem Hauptinstrument geworden ist. Es folgte ein Lautenstudium bei Nigel North an der Hochschule der Künste Berlin. Er konzertiert mit zahlreichen Ensembles für Alte Musik wie dem Hamburger Telemannorchester, Berlin Baroque oder der Salzburger Gruppe Via Artis überwiegend im deutschsprachigen Raum. Außerdem führte er in den letzten Jahren Eigenkompositionen für verschiedene Besetzungen auf. Die Chitarrone ist eine Anfertigung von Giuseppe Tumiati, Mailand 1995, nach Alessandro Picanini, Bologna 1623, 14 Chöre, italienische Bauweise mit langer Mensur, flachem Resonanzkörper und sehr dünner Decke. Stimmung a, e, h, g, d, A,G diatonisch abwärts bis Kontra G bzw. Fis.
Gerhard Oppelt studierte an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Seit 1980 entwickelte ervielseitige Aktivitäten am Kirchenzentrum Lindenkirche Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Organist wurde hier unter seiner Federführung die Große Orgel mit 87 Registern und der Nachbau einer historischen italienischen Orgel in der Kapelle gebaut. Außerdem ist er Leiter der Kantorei und Gründer des Berliner Mädchenchores. Er leitete beide Chöre in zahlreichen Konzerten mit J. S. Bachs Oratorien, B. Britten's "War Requiem", Monteverdis "Marienvesper" u. a. Seit 1992 widmet er sich verstärkt der historischen Aufführungspraxis - als Gründer und Leiter des Monteverdi-Chores Berlin und des Ensembles "Berlin Baroque". Seit August 1997 ist Gerhard Oppelt von der ev. Kirche in Berlin-Brandenburg beauftragt, die Ruine der Schinkelschen St.-Elisabeth-Kirche in Berlin Mitte als Konzertsaal für Alte Musik wiederaufzubauen und dort eine ost-westeuropäische Forschungs- und Fortbildungsstätte für Alte Musik zu installieren. Truhenorgel von Patrick Collon (Brüssel 1994). Die Truhenorgel wurde nach historischen Vorbildern des späten 17. Jahrhunderts gebaut und verfügt über 3 Register: Gedackt 8', Flöte 4', Quintadena 2'. Die Stimmung ist mitteltönig, a' = 415 Hz, gelegt.
Susanne Wilsdorf, Sopran, beendete 1991 das Studium der Musikwissenschaft in Berlin. Nach einem einjährigen Forschungsaufenthalt in der Schweiz studierte sie Gesang an der Akademie für Alte Musik in Bremen bei Hariy van der Kamp, später auch bei Ulla Groenwold in Hamburg. Ihr Repertoire reicht vom Frühbarock bis zur Frühromantik. Neben den großen Oratorien von Bach bis Mendelssohn Bartholdy gilt ihr Interesse vor allem der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts in kleineren Besetzungen, wie z. B. französischen Kantaten des 17. Jahrhunderts, englischer Lautenmusik und dem deutschen Barocklied. Sie sang mit Ensembles wie der Lautten Compagney Berlin, Weserrenaissance, Berlin Baroque u. a. Susanne Wilsdorf lebt als freischaffende Konzertsängerin in Berlin. Darüberhinaus arbeitet sie als Musikwissenschaftlerin fürverschiedene Rundfunkanstalten und in freien Projekten.
Barock
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff "barock" in der Musikwissenschaft als wertneutrale Stilrichtung etabliert. Vorher stand "barock" für eher mißratene Stilarten. Entstehungsgeschichtlich bezieht sich der Terminus auf das Schiefrunde der Perlmuschel und beinhaltet eine Abgrenzung von dem als ebenmäßig empfundenen klassizistischen Stil. Seit dem 16. Jahrhundert wird in Italien das Wort barocco für verrückt, falsch gebraucht. Aus dem Portugiesischen berrueco läßt sich die Übersetzung unregelmäßig, warzig ableiten. Das französische baroque wird im Sinne von bizarr, unregelmäßig, uneben benutzt. In allen Fällen haftet dem Wort ein negativer Beigeschmack an, der sich bis ins 19. Jahrhundert erhalten hat. In einem Musiklexikon von 1802 findet man als Definition: "Ein Tonstück wird barock genannt, wenn in demselben die Harmonie verworren, und der Satz mit Dissonanzen und ungewöhnlichen Auflösungen derselben überladen ist, wenn die Modulation zu oft, und ohne dabey den natürlichen Zusammenhang der Töne zu beobachten, in entfernte Tonarten geleitet wird, und die Melodie in schwer zu intonierenden Intervallenfortschreitet. " Die Musikwissenschaft tut sich heute schwer mit der Definition des festeingebürgerten Begriffs Barock und der zeitlichen Begrenzung des sogenannten Barockzeitalters, das in der Musikgeschichte im Zeitraum zwischen 1600 und 1750 festgeschrieben wird.
Zumindest gibt es in der Diskussion um die Begriffsbestimmung den einen Konsens, daß die Musik des frühen 17. Jahrhunderts wenig mit der des mittleren 18. Jahrhunderts verbindet, zumal es in diesem Zeitraum eine Fülle stilistischer, kultureller und nationaler musikalischer Strömungen gibt. Die wenigen Gemeinsamkeiten sind von innovativem Charakter. So wird z. B. zu Beginn des 17. Jahrhunderts dem Textvortrag eine neue Rolle zugewiesen. Fortan wird die Komposition vom Text bestimmt und geht auf die individuelle Stimmungslage der handelnden Personen ein. Die Musik wird als Medium für die Menschendarstellung anerkannt. Damit einhergehend wird die Dissonanz als Stilmittel legitimiert, um den Seelenzustand der darzustellenden Menschen zu verdeutlichen. Die strengen satztechnischen Regeln des 16. Jahrhunderts können zu diesem Zweck außer Kraft gesetzt werden. Dieses neue Konzept bezieht sich nicht nur auf musiktheatralische Formen, wie der sich in dieser Zeit entwickelnden Oper oder des Oratoriums, selbst die Instrumentalmusik ist eng mit der Idee der Menschendarstellung verknüpft. Nicht selten sind die Kompositionen personenbezogen, wie sich in den zahlreichen Widmungskompositionen oder den unzähligen Lamentationes auf den Tod berühmter Personen zeit)t. Noch C. Ph. E. Bach komponiert Charakterstücke wie La Gleim, La Boehmer öde La Borchward.
Auch die Entwicklung der neuen Instrumentalgattungen wie der Symphonie ist ohne eine Anbindung an die Vokalmusik nicht denkbar. Sie geht als dreisätziges Vorspiel aus der Oper hervor, so wie die Clavier- und Orchestersuite aus dem Gesellschafts- und Bühnentanz und die Ritornellformen des Concerto grosso aus den vokalen Refrainformen. Auch wenn man inzwischen von der Vorstellung des 16. Jahrhunderts abgekommenwar, daß es die vornehmste Aufgabe des Instruments sei, die menschliche Stimme nachzuahmen, ist das Solokonzert dennoch eng mit der Vokalmusik verknüpft. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, daß das Cembalo erst sehr spät als Soloinstrument akzeptiert wird, weil es am weitesten vom Gesang entfernt zu sein scheint. Auf dem Cembalo kann man weder lange Töne noch ein crescendo oder decrescendo hervorbringen, und schon gar kein Vibrato oder gar Tremolo.
Wie problematisch der Begriff "barock" ist, zeigt sich schon an der Vielfalt nationaler Kompositionsarten. Italien baut seine Stellung als tonangebende Musiknation für ganz Europa aus. Überall wird italienische Musik nachgedruckt und Musiker aus allen europäischen Ländern studieren vorzugsweise beim Markuskapellmeister in Venedig oder im deutsch-ungarischen Jesuitenkolleg in Rom. Französische Komponisten wi'eJ. B. Lully oder englische wie H. Purcell stehen unteritalienischem Einfluß. In Deutschland wird Dresden zum Zentrum italienischer Musikkultur: H. Schütz etabliert italienische Stilelemente in der Satztechnik, Joh. H. Schein, der nie in Italien war, gibt seinen Kompositionen auch dann italienische Titel, wenn die vertonten Texte deutsch sind, und selbst M. Praetorius bezieht sich auf die italienische Musik, obwohl er sie nur vom Hörensagen kennt. Als wichtigster Vermittler italienischer Musikkultur im Bereich der Orgel- und Claviermusik gilt Johann Jakob Froberger, der bei Frescobaldi in Rom studierte und dessen Stil er mit französischen Elementen kombiniert. Man sieht die deutsche Kompositionsweise als Vermischung nationaler Stile an, zu der nach dem Übergang des polnischen Königtums an den sächsischen Kurfürsten noch der polnische Stil hinzu kam. Die deutsche Musik hat das meiste von den Ausländern entlehnet, und sie unterscheidet sich nur durch einefleißige Arbeit, regelmäßige Ausführung der Sätze und durch die Tiefsinnigkeit, die sie in der Harmonie anwenden. (Scheibe)
Ein Ende der Barockzeit läßt sich ebenso schwer definieren wie ihr Beginn. Der Wandel von einer rein höfischen zu einer bürgerlichen Musikkultur verändert allmählich den musikalischen Stil, wobei der Grat zwischen alter und neuer Ästhetik sich zunächst nur in Nuancen ausdrückt und eng an die Veränderung des Men-schenbitties gekoppelt sind. Die Entwicklung weg von der höfischen Forderung nach Verstellungskunst und hin zu einer neuen Wahrhaftigkeit spricht C. Ph. E. Bach 1753 in seinem Versuch über die wahre Art das Clavierzu spielen an: Aus der Seele muß man spielen und nicht wie ein abgerichteter Vogel.
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